Photography
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2014                  Galerie Englische Kirche Meiringen

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2005                   «Durchblick» Kunsthaus Interlaken
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2016                     Cantonale Berne Jura, Centre Pasquart Biel, Kunsthaus Interlaken

Werke in öffentlichem Besitz
Kanton Bern
Kunsthaus Interlaken

Diverse Werke in Privatbesitz

Ausstellung in der Galerie Englische Kirche Meiringen

Laudatio anlässlich der Vernissage vom 23. August 2014

„Fotografie ist etwas zum sehen, nicht zum reden“.  Ich versuche mich daran zu halten und rede hier weniger über Claudia Dettmars Fotografien als über ihre Arbeitsweise, über ihr Handwerk, soweit sich das trennen lässt.

Ich google das Stichwort Fotografie. 80 300 000 Ergebnisse in 0,59 Sekunden. In deutschen Haushalten besitzen laut Statistik 45 Mio Personen eine Digitalkamera. Und am Radio vor ein paar Tagen: Es werde heute in 2 Minuten soviel fotografiert wie Ende 19. Jahrhundert in einem Jahr. Trotz der Bilderflut, welche die Welt überschwemmt, gibt es Leute, die nie daran gezweifelt haben, dass das Medium Fotografie eine wichtige Kunstform ist, und mit Leidenschaft Bilder schaffen, die gültige Kunstwerke sind.

Zu diesen Leuten zähle ich die Fotografin Claudia Dettmar.

In Meiringen aufgewachsen in einer Familie und Verwandtschaft von Architekten, Malern, einem Fotografen, hat Claudia hat die Auseinandersetzung mit Form, Licht und Schatten gewissermassen im Blut. Bereits zur Schulzeit habe sie gewusst, dass sie in dieser Richtung arbeiten wolle, sagt sie.  Fotografenlehre in Bern, dort auch die Weiterbildung an der Schule für Gestaltung, Teilanstellungen als Fotografin. Seit 1980 ist sie Freischaffende Fotokünstlerin, stellt aus, nimmt Aufträge an, (nicht immer mit Begeisterung,) macht zum Beispiel Hunderte von Hochzeitsreportagen um sich eine bessere Kamera leisten zu können oder den Druck von Abzügen. Arbeiten von Claudia befinden sich in öffentlichem und privatem Besitz.>

Ich habe hier ein Portfolio mit ihren Arbeiten. Es trägt den schlichten Titel „Fotografie 2006 – 2011“. Hier hat Claudia von tausenden von Bildern,  die sie zwischen 2006 und 2011 gemacht hat, diejenigen zusammengestellt, die sie als gültig erachtet. Ich zähle 51 Bilder, das sind rund 8 gültige Fotografien pro Arbeitsjahr.

Die jetzige Ausstellung in der Englischen Kirche ist eine Fotoinstallation mit Arbeiten der letzten 8 Jahre, die sie erstmals überhaupt der Öffentlichkeit vorstellt. Sie hat eine Auswahl getroffen aus rund 60 Bildern, das sind wieder 7 bis 8 Fotografien pro Jahr, die ihren Ansprüchen an ein gültiges Bild genügen.

Das ist ein Blick auf die Arbeitsweise von Claudia Dettmar: rigorose, kompromisslose Auswahl von dem, das sie zu ihrem gültigen Werk zählt. Sie sagt, ihre Motivation zu Fotografieren sei, Bilder zu machen. Und wenn es, nach einer langen Auseinandersetzung mit allen gemachten Fotografien, pro Jahr ein paar gültige Bilder dabei habe, sei sie zufrieden. Das  Schwierigste bei dieser Auswahl sei der Grenzbereich: Von wo an ist eine Fotografie Kunst und nicht einfach ein schönes Bild. Das Dekorative interessiere sie nicht.

Für einen anderen Blick auf Claudias Arbeitsweise komme ich zurück auf das Portfolio. Quasi als Motto über diese Sammlung von ihrem Besten aus 6 Jahren setzt sie ein Zitat: „Fotografie ist etwas zum sehen, nicht zum reden“. Dieser Satz stammt von Robert Leverant, Kalifornischer Fotograf, der mit seinem spirituellen, er sagt zen-buddhistischen, Zugang zur Fotografie Generationen von Fotografen beeinflusst hat. Zen ist Stille, Leere,  Absichtslosigkeit. Und damit nähern wir uns dem, was Claudias Arbeitsweise und ihre Fotos in meinen Augen prägt und was sie selbst über ihre gewählten Motive und Themen sagt: scheinbar belanglose, zufällige Ausschnitte, oft unscheinbar, alltäglich, kaum einer Fotografie wert. Der Mensch erscheint  beiläufig, wie ein Gegenstand, Teil der Komposition.

Dieser Zugang zur Fotografie kommt nicht nur in den Bildern, sondern auch in den Titeln zum Ausdruck, die Claudia über ihre Bilder stellt. Ganze Serien tragen als Titel nichts als den Namen eines Ortes, vielfach von einer Grossstadt.

Man erwartet: Reisereportagen, Sehenswürdigkeiten.

Ich lese: Venezia, Venedig: Auf dem Bild weder Gondeln noch Tauben, sondern der Blick aus einem Erkerfenster auf diffuse Schatten eines Baumes. Statt einem berühmten Kanal der Blick auf ein anonymes Hallenbad und eine ebenso anonyme und zufällige Passantin.

Rom: Keine Fontana Trevi, aber eine Flasche vor einem Barspiegel und den Blick in Schaufenster.

Paris: Ausblick durch eine Glastüre auf eine Bürolandschaft,

Stuttgart: Stühle.

Die üblichen Sehenswürdigkeiten scheinen Claudia nicht zu interessieren. Aber immer wieder Fenster, vielfach als Rahmen für Ausblicke auf Landschaft oder Pflanzen, diese manchmal nur als Schatten. Durchblicke, Einblicke, Fenster als Lichtquellen, Schaufenster, diffuse Spiegelungen in den Glasscheiben, durch die hindurch sie fotografiert, Fenster. Türen, Durchgänge, Architektur, manchmal nur als Raster von Licht und Schatten.

Claudia’s Bilder haben offenbar mit dem Ort oder der Stadt, den sie als Titel wählt, nur soviel zu tun, als dass sie dort entstanden sind. Die Reisen in die Städte seien Vorwand, sagt sie. Auf diesen Reisen könne sie fotografieren, konzentriert, ungestört von allem Alltagskram. Der Ort sei zufällig. Sie fotografiere „anfallsmässig“, wie sie sagt, macht monatelang kein Foto und trägt im Alltag auch nicht ständig eine Kamera mit sich.

Wie müssen wir uns diese Flucht-Reisen ins Fotografieren vorstellen, technisch, handwerklich?

Claudia Dettmar arbeitet mit einer relativ bescheidenen Ausrüstung. Ein Teleobjektiv, ein Objektiv für Weitwinkel. Nie ein Stativ, das würde ihr die Freiheit nehmen. Sie entdeckt einen mehr oder weniger unscheinbaren Gegenstand, oder eine Situation, wählt den Ausschnitt und drückt ab. Der scheinbar zufällige Ausschnitt ist ganz bewusst gewählt, der Ausschnitt sei das A und O des Fotografierens, der entscheidende Augenblick, sagt sie. Mit diesem richtigen Moment erreicht sie die scheinbare Absichtslosigkeit ihrer Bilder, die Einfachheit. Sie wählt so, dass die Komposition ausgewogen ist, Ruhe ausstrahlt und auch das Triviale seine Würde erhält.

Fotografiert hat Claudia Dettmar lange analog, mit einer Leica, seit 10 Jahren, und seit das Material immer besser wird, fotografiert sie digital, mit einer Canon. In der Ausstellung sehen wir Fotografien in beiden Verfahren.

Claudia nimmt ein Bild auf, manchmal eine Serie, ohne das Resultat auf dem Kamera-Monitor anzuschauen und freut sich auf den spannenden Moment, wo sie das Eingefangene am Computer betrachten und studieren kann.

Mit der Leica früher die Arbeit im Labor, heute die ebenso aufwändige Bearbeitung am Computer. Sie schneidet praktisch nicht, die Auswahl hat sie vor dem Abdrücken getroffen, verändert höchstens etwas die Grösse des Ausschnitts, rückt vielleicht das Hauptmotiv an die richtige Stelle.  Farben werden keine zugefügt, sie nimmt, je nach Motiv, eher solche heraus, um am Schluss das gewünschte Resultat zu erreichen. Sie traut ihrer Intuition und Erfahrung. Es entsteht ein Bild, das sowohl den ganz bestimmten Zustand  und die Befindlichkeit des Motivs einfängt, und gleichzeitig die ganz bestimmte Sehweise und die Befindlichkeit der Fotografin. Es gelingt Claudia Dettmar, diese Beziehung für den Betrachter erlebbar zu machen.

Ebenso bewusst geplant wie die Bildausschnitte und zum Teil mit dem Teleobjektiv erreicht, sind die Unschärfen in Claudias Fotografien. Dank ihnen erreicht sie eine Stimmung, welche die Bilder nahe an die Malerei rückt. Kein Zufall, dass sie Bestätigung für ihren Weg zwar auch bei den grossen Minimalisten der zeitgenössischen Fotokunst sucht, vor allem aber bei den Malern. Denn in ihrer Auseinandersetzung mit der Kunst, sagt sie, seien Fotografie und Malerei dasselbe, es unterscheide sie nur ein anderes Handwerk. Als Maler nennt sie Matisse und Bonnard mit ihren Fenstern und Innenräumen, Barnett Newman als Vertreter eines meditativen Expressionismus. Vor allem aber, und nicht zufällig, Cy Twombly. Dieser Maler und Bildhauer hat auch ein fotografisches Werk hinterlassen, eine stille, kontemplative Bilderwelt, wie wir sie auch in Claudias Arbeiten finden, ein Manifest des empfindsamen Sehens, bewusste Unschärfen, so dass ein namhafter Kunstkritiker sich frägt, ob das nun, Zitat, „gemalte Fotografien oder fotografierte Malerei“ sei.

Claudias 36 Arbeiten hier in der Englischen Kirche stellen einen Querschnitt dar ihres Schaffens in den letzten 8 Jahren. Sie ist das Wagnis eingegangen, einmal keine Serie, kein Thema, sondern eine Auswahl Bilder aus ganz verschiedenen Bereichen auszustellen. Claudia nennt es einen Spaziergang durch ihre innere Welt. Ich bin sicher, dass die Bilder durch meine sehr technischen Ausführungen nichts an ihrer starken, geheimnisvollen und poetischen Ausstrahlung verloren haben, die so typisch ist für Claudia Dettmars Fotografie. Zu den ausgestellten Bildern sage ich nichts, „Fotografie ist etwas zum sehen, nicht zum reden“.

Adolf Urweider, Künstler Meiringen